Deutschland und der angebliche Klimalockdown
Wie Rechtspopulisten und Verschwörungsgruppen die Pandemie zur Mobilisierung gegen den Klimaschutz nutzen
Wie Rechtspopulisten und Verschwörungsgruppen die Pandemie zur Mobilisierung gegen den Klimaschutz nutzen
Paula Matlach, Christian Schwieter, Łukasz Janulewicz & Nicolás Heyden
14. Januar 2022
Seit dem Beginn der Covid19-Pandemie ging die Verbreitung von Verschwörungserzählungen über die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus mit der Entstehung verschiedener Anti-Lockdown- Protestbewegungen, einschließlich der deutschen Querdenker, Hand in Hand. Die Vielzahl von Online- Räumen, die durch diese Bewegungen insbesondere auf Telegram entstanden sind, werfen die Frage auf, wie sich diese Akteur:innen nach Abklingen der Pandemie politisch orientieren werden. Diese Snapshot-Studie liefert eine Teilantwort: Der Begriff Lockdown, der während der Pandemie an Bedeutung gewonnen hat, wird zunehmend als politischer Kampfbegriff genutzt, um Ängste zu schüren und so gegen Klimaschutzmaßnahmen zu mobilisieren.
Zu Beginn der Pandemie wurde das bereits etablierte Narrativ einer drohenden „Klimadiktatur“ noch vermehrt verwendet. Politiker:innen der AfD nutzen diesen neuen Begriff und behaupteten, dass der anthropogene Klimawandel1 eine unbewiesene Theorie sei. Sie schlossen daraus, dass die Klimapolitik der deutschen Wirtschaft unnötigen Schaden zufügen würde, und kritisierten die Reaktion des Gesundheitswesens auf das Coronavirus als ebenso fehlgeleitet und übertrieben. Der Begriff des Klimalockdowns zog Mitte 2020 in den deutschen Online-Diskurs ein und förderte einen Wandel weg von dem Begriff der Klimadiktatur hin zu dem Begriff des Klimalockdowns. Die ersten nennenswerten Erwähnungen der Klimalockdowns wurden durch einen Gastbeitrag von Thomas Sigmund im Handelsblatt ausgelöst. Die Schlagzeile des Beitrags wurde aufgegriffen und durch bekannte Personen des öffentlichen Lebens wie z.B. den FDP-Politiker Oliver Luksic weiter verbreitet. Seit einer Aktivitätsspitze im Mai 2021 konnte insbesondere in rechten Kreisen eine deutliche Verlagerung weg von der Bezeichnung der Klimadiktatur hin zum Klimalockdown festgestellt werden sowie eine insgesamt häufigere Verwendung beider Begriffe.
Der bisherige Trend in Deutschland und anderen Ländern deutet an, dass der mit der Pandemie verbundene Wortschatz ein mächtiges Werkzeug zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung in verschiedenen Politikbereichen geworden ist (d.h. über das öffentliche Gesundheitswesen hinaus). Die Verwendung des Lockdowns als Kampfbegriff ist Teil einer breiteren Entwicklung, mit der eine Reihe rechter bis rechtsextremer Akteur:innen sowie Verschwörungsgruppen das Vertrauen in demokratische Institutionen zu untergraben versuchen. Im Hinblick auf die anstehende Legislaturperiode sollten sich Kommentator:innen, Politiker:innen und Aktivist:innen der Wirkung dieser Begriffe bewusst sein.
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